Wie erreicht man eine mündliche Kultur? Als ihre Versuche mit Leseklassen und Lesematerial scheiterten, begannen eine Wycliff-Mitarbeiterin und ihr Team, sich dem Radio zuzuwenden – mit Erfolg!

Vor 15 Jahren bin ich als Alphabetisierungsspezialistin zum Boso-Team gestoßen. Wir bemühten uns jahrelang, in den beiden Boso-Sprachen, in denen wir arbeiten, eine ganze Palette ansprechender Büchlein herzustellen: Lesefibeln, bebilderte Alphabet-Tafeln und jedes Jahr einen Kalender. Wir wollten die vielen anderen Organisationen, die in der Region arbeiten, mit Material beliefern, damit sie Leseklassen auch auf Boso halten konnten – nicht nur in den Handelssprachen Bambara oder Fulfulde. Auch unsere einheimischen Mitarbeiter haben einige Versuche unternommen, Leseklassen zu starten. Alles ohne Erfolg!

Eine besondere Lebensweise

Die Sprecher der insgesamt vier Boso-Sprachen sind Bewohner des Niger-Binnendeltas in Mali/Westafrika. Dort sind die Bedingungen ideal für Fischerei und Reisanbau, denn der Niger und seine Seitenarme treten in der Regensaison über ihre Ufer. Die Reisbauern sind sesshaft, die Fischer leben je nach Saison halbnomadisch. Weil sie einerseits sehr mobil sind und andererseits das Gebiet durch den saisonalen Hochwasserstand schwer zugänglich ist, gibt es nur wenige Schulen, und die werden von den Boso kaum genutzt. Wozu auch? Die Buben lernen schon früh fischen oder Boote bauen, die Mädchen lernen kochen und den Fisch für den Verkauf am Markt vorzubereiten. Sie meistern ihr Leben auch ohne formelle Bildung sehr gut.

Ein malischer Bibelschullehrer soll einmal gesagt haben: „Wenn du ein Geheimnis hüten willst, schreibe ein Buch darüber und veröffentliche es in Afrika.“ Informationen werden nämlich mündlich weitergegeben.

Auf die andere Kultur eingehen

Wir hatten schon länger überlegt, alle übersetzten Texte auch aufzunehmen. Da die Boso zu 100% dem Islam angehören, haben wir mit dem Alten Testament begonnen. Die biblischen Erzväter sind als „Propheten“ bekannt und die Leute hören ihre Geschichten gern.

Mittlerweile haben wir 60 Radiosendungen produziert, in denen jeweils ein Schüler zum Meister kommt und ihn bittet, etwas über Noah oder Abraham oder König David zu erzählen. Der Meister liest dann die Geschichten aus dem Thaurat vor – das entspricht dem hebräischen Wort „Thora“ und ist im Islam als das Buch des Mose anerkannt. Auch Zabur (Davids Buch = Psalmen) und Injila (Jesu Buch = Evangelium/NT) sind bekannte und durchaus positive Begriffe.

Eine gute Lösung

Seit 2011 haben wir Verträge mit 20 lokalen Radiosendern, die unsere Sendungen regelmäßig ausstrahlen. Auf diese Weise gelangt das Wort Gottes in die abgelegensten Gebiete. Es erreicht auch Familien, die für westliche Ideen wie Lesenlernen verschlossen sind. Am Ende jeder Sendung rufen viele Hörer an, um ihr Interesse kundzutun oder zu sagen, dass sie sich über die Sendung in ihrer Muttersprache freuen. Dadurch haben wir schon so manchen guten Kontakt zu Boso-Sprechern knüpfen können. Und es gibt immer wieder Boso, die das Gehörte auch schriftlich haben wollen!

– von unserer Mitarbeiterin in Mali

Viele Wege, ein Ziel …
Markiert in: